Atelier Christian Redlich
Der Begriff „Gestalt“ beschreibt mehr als nur die Form – er umfasst auch Inhalt und Wesen eines Körpers. Gestalt steht für ein Ganzes, das nicht in die Vielheit seiner Einzelaspekte, wie Formen, Farben, Gewicht, Oberflächen, Materialien sowie akustische oder haptische Eigenschaften, zerfällt. Es ist ein sich vom Grund abhebendes Ganzes.
Unser Wunsch, ein umfassenderes Verständnis von Gestaltung zu realisieren, führt für jedes Projekt die Kompetenzen aus verschiedenen kreativen Bereichen zusammen. Gestalt ist dabei der zentrale Begriff, der unsere Tätigkeiten zur Synthese bringt. Das entstandene Netzwerk ermöglicht es nun, von Grund auf die Gestalt eines Vorhabens zu entwickeln, zu planen und umzusetzen. Gestaltung soll dabei nicht länger eine Beschäftigung mit Details sein. Wir streben keine ideologische Einschränkung an und wollen keine „Wahrheit“ finden, sondern wahrhaftig sein und so möglicherweise etwas Offenbarendes berühren.
Die Gestaltungskraft sehen wir in der Beschäftigung mit den elementaren Dingen. Dies bedeutet ein radikales Denken, ein Denken von der Wurzel her, unter Einbeziehung aller Sinne und Erfahrungen. Es ist kein elitäres Denken, denn elitäres Denken setzt geringere Ansprüche als das der Allgemeinheit. In einer Zeit, in der nur noch wenige Werte geteilt werden, erscheint es uns wichtig, auf das zurückzugreifen, was wir alle kennen, verstehen und fühlen: die elementaren Dinge. So entsteht eine Grundlage, auf der Individualität erst möglich wird.
Was sind diese „elementaren Dinge“? Das Elementare finden wir im Einfachen und Direkten, aus dem in aufregender Weise das Komplexe und Vielfältige hervorgeht und uns ein Gefühl von Reichtum vermittelt.
Sprache ist nicht nur ein Mittel, um darzustellen, was in der Welt der Fall ist; sprachliche Formulierungen ermöglichen es uns auch, die Welt zu „erschließen“. Gestalten ist, wie die Sprache, ein Weg, auf dem sich der Mensch die Welt erschließt und Voraussetzung dafür, seine Mitwelt zu verstehen. Denn so weit wir davon ausgehen, dass es überhaupt etwas zu verstehen gibt, machen wir doch Erfahrungen an, mit und in unserer Mitwelt, die wir gestalten wollen. Diese Erfahrungen formen unsere Sicht auf die Welt. Erfahrung basiert auf Erkenntnis, Wahrnehmung hingegen auf Wissen. Wir glauben, dass wir unseren Erfahrungen vertrauen und sie nutzen sollten.
Der übermäßige Eifer, die Welt „schön“ zu machen, indem man Details hinzufügt, führt oft nur zu Dekoration und zum Zerfall des Ganzen. Denn das Schöne ist kein oberflächlicher Zuckerguss, sondern etwas Gehaltvolleres als das Nette und Harmlos-Gefällige. Gute Gestaltung erfordert einen freien Geist und die Möglichkeit assoziativen Denkens. Gestaltung folgt nicht bloß vorformulierten Zweckvorstellungen, die jemand lange vor ihrer tatsächlichen Erfüllung erdachte. In unserer reizüberfluteten Welt geht es oft mehr darum, zu bestimmen, was nicht sein soll. Die Form sollte dem Zweck und den gegebenen Mitteln angemessen sein und Material sowie Methoden folgen, anstatt ihnen hinderlich zu sein.
Es gibt keinen absoluten Standard, auf den man verweisen könnte; Standards entstehen oft aus ökonomischen Gründen. Die herzlose Anwendung des logischen Denkens auf Idee und Praxis dient meist nur dazu, Selbsttäuschung zu ermöglichen. Standards stehen im Widerspruch zur Individualität des Menschen. Die Akzeptanz solcher Standards wird oft als Zustimmung gedeutet, ohne dass man weiß, wie diese Zustimmung zustande kam. Oft scheinen es kleingeistige Funktionärsdiktaturen zu sein, die der Mehrheit ihren Geschmack aufdrücken wollen. Es geht dabei weniger um Geschmack als um wirtschaftliche Macht, die durch Standards gefestigt wird. Wir möchten bewusst andere Wege gehen und so zu einer vielfältigeren und sinnvolleren Mitwelt beitragen.
Alles, was nicht Individualität ist, bleibt bloße Quantität. Individualität und der freie Geist sind das Wesen des Menschen. Doch hat er beides in vielen Bereichen aufgegeben, um einem bequemen Leben und dem Fortschritt zu dienen. Er verlässt sich auf Organisation und Zentralisierung, aus denen dann Verallgemeinerung folgt. Kreativität besteht heute eher im Auswählen von Vorhandenem als im eigenen Erfinden. Statt Individualität steht Verallgemeinerung am Beginn jeder Gestaltung. Wir glauben, dass es wichtig ist, die Wahl zu bewahren und Dinge in sich selbst aufgehen zu lassen, während wir gleichzeitig das Zusammengehören der Dinge erkennen.
Gestaltung ist ein Wagnis, da sie immer auch den Anspruch auf Gültigkeit erhebt. Wir wollen uns bemühen, alles so gut und einfach wie möglich zu gestalten, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.
Das Atelier Christian Redlich bietet künstlerische gestalterische Arbeit in allen Bereichen der Architektur. Von der Planung bis zur Ausführung wird jedes Projekt von uns begleitet.
Christian Redlich 2004